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Auswandern – wirklich die grosse Veränderung?

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Katja meditiert auf einem Felsen am Strand, den Blick zu einer Insel am Horizont gewendet
Katja meditiert auf einem Felsen am Strand, den Blick zu einer Insel am Horizont gewendet

Öffne der Veränderung deine Arme, aber verliere deine Werte dabei nicht aus den Augen.

Wir sind konstant von Veränderung umgeben. Die deutlichste und schnellste Veränderung hierbei ist die Zeit selbst.
Aber auch wir verändern uns ständig. Wir werden älter, Menschen kommen und gehen in unserem Leben, wir machen Erfahrungen. Da Veränderungen also unvermeidbar sind, kannst du genauso gut lernen, diese anzunehmen und mit ihnen zu leben.
Ich habe dabei gerne das Bild vor Augen, dass Veränderung uns die Möglichkeit gibt, Türen, die wir nicht mehr benötigen, zu schließen und dafür andere zu öffnen.
Auch mein Leben ist geprägt von Veränderungen. Die größte in den letzten beiden Jahren war sicher meine Auswanderung nach Costa Rica. Diese ging durch gute Vorbereitung mehr oder weniger reibungslos vonstatten, und wenn ich es mir bewusst mache, gehen mit der offensichtlichen Veränderung des Ortswechsels auch noch viele andere mehr oder weniger große Veränderungen einher.

Was musste ich aufgeben?

Ich habe meinen sicheren und gut bezahlten Job als Angestellte in einem großen Konzern gekündigt. Ich habe meinen Job zwar nicht geliebt, aber als Strafe habe ich ihn nun auch nicht gerade empfunden. Aber die Komfortzone war hier ziemlich bequem, so dass der Schritt mir einiges an Mut abverlangt hat. Gelohnt hat es sich trotzdem und vermutlich wäre ich ihn ohne die Auswanderung auch nicht gegangen, weil mir immer der Mut gefehlt hat, wirklich mit meinen Herzensthemen Geld zu verdienen. Da ich in Costa Rica aber nun ohne Job dastand und etwas machen musste, konnte ich dann genauso gut meine Leidenschaften zum Beruf machen!
Ich musste Abschied nehmen von vielen lieben Menschen. Und diese Menschen sind auch das Einzige, was ich an Deutschland vermisse. Natürlich habe ich zu vielen noch Kontakt, aber die Entfernung verändert doch sehr vieles. In Costa Rica habe ich schnell neue Freunde gefunden, so dass ich mich hier nie allein gefühlt habe. Aber natürlich musste ich dafür auf andere zugehen.
Wir haben unser Haus verkauft, das wir zuvor 10 Jahre lang renoviert und modernisiert hatten. Dieser Schritt fiel mir am Anfang schwer, weil wir so viel Herzblut hineingesteckt hatten und ich auch meinen wunderschönen Garten ringsherum wirklich sehr geliebt habe.
Ich spreche in Costa Rica eine andere Sprache. Anfangs konnte ich fast kein Spanisch; mittlerweile kann ich mehr oder weniger problemlos auch komplexe Gespräche führen. Hilfreich dabei war sicherlich, dass ich einfach auf fremde Menschen zugehen kann, aber auch, dass ich keinen falschen Stolz habe, mal was Falsches zu sagen. Außerdem habe ich hier hauptsächlich Kontakt zu Ticos, weil hier wenig Auswanderer leben. Die Ticos sind generell ein sehr freundliches und aufgeschlossenes Volk, so dass sie auch interessiert an mir und Deutschland sind und viele Fragen stellen. Das ist immer eine gute Übung in Spanisch!
Die sozialen Regeln sind hier anders, vor allem, was Verbindlichkeiten angeht. So durfte auch ich feststellen, dass die Verabredung für morgen erst dann verbindlich ist, wenn sie mindestens nochmal bestätigt wird. Auch Termine, wie z.B. in der Autowerkstatt, lässt man sich besser nochmal einen Tag vorher bestätigen. Zusätzlich unterscheidet sich die Definition von Pünktlichkeit auch sehr von meinen Gewohnheiten, wenn man um 9 Uhr verabredet ist und kommt um 10 Uhr dann war man noch pünktlich :-). Man muss lernen, was verbindlich  ist und was nicht. Mittlerweile komme ich damit aber gut klar.
Die obige Liste ist unvollständig und stellt nur die aus meiner Sicht größten Veränderungen in meinem Alltag dar. Aber worauf will ich eigentlich hinaus? Natürlich ist das eine, dass man lernen kann, sich in einer neuen Gesellschaft zurecht zu finden. Hierbei ist es egal, ob es eine andere Kultur ist oder ob sich die vertraute Gesellschaft verändert. Schau dir nur mal an, wie stark sich Deutschland in den letzten Jahren während der Pandemie im Zusammenleben verändert hat. Das andere ist aber, dass eine Veränderung deiner Lebensumstände im Außen auch immer dich im Inneren verändern wird. Und zwar immer! Vielleicht kennst du den Spruch:
Entweder du veränderst das System oder das System wird dich verändern.

Gunnar Kaiser

Philosoph
Die Frage dabei ist, steuerst du aktiv die Veränderung oder bist du passiver Spielball der Veränderung durch andere?

Verändern um zu bewahren. Warum ist Veränderung gut für dich?

Selbstbestimmte Veränderung ist gut für dich, weil du dadurch die entscheidenden Dinge bewahren kannst. Klingt erstmal unverständlich, aber ich will dir anhand meiner Geschichte erklären, was ich alles NICHT verändert habe:
Ich lebe in einem Land, indem meine persönlichen Werte noch im Alltag Bestand haben. Für mich ist Deutschland in der Vergangenheit mal irgendwo falsch abgebogen. Nun bin ich in einer Gemeinschaft, die tatsächlich Toleranz lebt, ohne dass man dies ständig vor sich hertragen muss. Toleranz wird einfach und selbstverständlich gelebt, man diskutiert hier nicht darüber.
Die Menschen in Costa Rica helfen sich viel mehr und achten aufeinander. Jeder trägt bei Aktivitäten ganz selbstverständlich seinen Teil bei, weil es ja nur so für alle funktionieren kann. Aussagen wie “Ich habe leider keine Zeit zum Helfen, aber ich spende 20 Dollar” hört man hier nicht oft.
Auch Diskussionen sind hier an der Tagesordnung und völlig normal. In Streit verfällt niemand, wenn das Gegenüber eine andere Meinung hat. Im Gegenteil, man diskutiert und anschließend klopft man sich auf die Schulter und trinkt zusammen ein Bier oder einen Kaffee. Und freut sich, dass man ein gutes anregendes Gespräch geführt hat.
Wir besitzen hier ein Haus, das wir gebaut haben. Die meisten Menschen hier in Costa Rica sind Besitzer eines Eigenheims, sehr viel mehr als in Deutschland. Nun ist das zwar etwas sehr Materielles, aber für mich persönlich bedeutet ein Stück Land und ein Haus doch auch meinen persönlichen Rückzugsort, den ich auch hier gerne haben möchte. Und natürlich habe ich hier auch wieder meinen Garten.
Jeder braucht eine Aufgabe, auch ich. Und jeder muss irgendwie seine Brötchen verdienen. Natürlich muss ich auch hier in den Tropen arbeiten und habe einen Arbeitsalltag. Mit dem Unterschied, dass mich meine Arbeit nun tatsächlich vollkommen ausfüllt und ich irgendwie nie aufhöre zu arbeiten, weil mich ständig neue Ideen begeistern. Und seitdem warte ich nicht mehr auf das Wochenende oder auf den nächsten Urlaub, weil ich einfach keine Erholung mehr brauche, so wie früher.
Alle meine Hobbies kann ich hier ausüben. Ich spiele leidenschaftlich gerne Brettspiele und lese sehr, sehr viel. Beides ist hier problemlos möglich. Da ich einen E-Reader besitze habe ich Zugang zu aktuellen deutschen Büchern und kann diese sogar kostenlos in einer deutschen Bücherei ausleihen. Da die Ticos ein geselliges Völkchen sind, finden wir auch immer genügend Mitspieler.
Zugegeben, Costa Rica ist kein Land, in das man einfach so und ohne Bedingungen einwandern kann. Aber die Hürden sind überwindbar. Und wenn man diese gestemmt hat, beantragt man eine Aufenthaltserlaubnis und hat mit dieser die gleichen Rechte wie ein Staatsbürger. Wäre ich talentiert im Fußball, könnte ich hier sogar in der Nationalmannschaft spielen :-). Ich bin hier also auch sehr rechtssicher unterwegs und muss nicht befürchten, dass ich nur geduldet bin.
Auch diese Liste ist nicht vollständig. Sie soll dir aber zeigen, dass du oft einige weniger wichtige Dinge verändern musst, wenn du die wirklich entscheidenden Dinge bewahren willst. Und wenn du diesen dann die Dinge, die du verändern musst, gegenüberstellst, sind sie auf einmal gar nicht mehr so erschreckend, wie sie zu Beginn gewirkt haben. Konkret muss ich mich fragen, was mir wichtiger ist, weiterhin deutsch zu sprechen und meine Werte unterdrücken oder nach meinen inneren Werten zu leben und eine andere Sprache zu sprechen. Das Lernen einer neuen Sprache ist zwar am Anfang vielleicht beängstigend, aber schließlich auch kein Hexenwerk.
Was macht mich langfristiger zufrieden: eine Gesellschaft, in der ich mich wohlfühle und die mich akzeptiert, ich aber die Regeln lernen muss; oder eine Gesellschaft, in der ich zwar alle sozialen Regeln kenne, mich aber nicht wohlfühle?
Blick vom Strand auf einen Sonnenuntergang hinter bewaldeten Hügeln. Im Wasser spiegelt sich die Sonne.
Wenn du nun auf meine beiden Listen schaust, erkennst du vielleicht, dass ich zwar einige große Dinge verändert habe, ich aber ganz viele grundlegende und für mich essenzielle Dinge nicht verändern musste. Ich habe vielmehr mein Außen verändert, damit ich weiterhin nach meinen inneren Überzeugungen leben kann.
Das gelingt natürlich nur, wenn du dir darüber im Klaren bist, was denn deine wirklich wichtigen Werte sind. Dies kannst Du mit einer kleinen Übung herausfinden:
Schreibe alle Werte, die dich ausmachen auf einen Zettel. Frag gerne auch deine Familie oder Freunde, welche Werte ihrer Meinung nach typisch sind für dich und nimm diese ggf. ebenfalls auf. Auf dieser Liste können Begriffe stehen wie treu, humorvoll, nachdenklich, hilfsbereit, freundlich, abenteuerlustig, sicherheitsbedürftig, zuverlässig, wissbegierig usw. Nun betrachtest du nur die beiden obersten Begriffe 1 und 2 auf deiner Liste und machst bei dem Wert einen Strich, der dir im Vergleich wichtiger ist. Nun vergleichst du die Begriffe 1 und 3 und macht wieder dort einen Strich bei dem Wert, der dir wichtiger ist. Wenn du einmal durch die Liste bist, wiederholst du diese Schritte, startest dann aber bei Begriff 2 und vergleichst als erstes die Begriffe 2 und 3, danach 2 und 4 usw. Wiederhole dies so lange, bis du jeden Begriff mit jedem verglichen und bewertet hast. Du kannst nun anhand der Anzahl der Striche die Werte feststellen, die deine Top 3 bilden. Eventuell teilen sich auch mehrere Werte einen Platz, das macht aber nichts.
Du hast nun ganz konkrete Anhaltspunkte, nach welchen Werten du wirklich leben willst. Schau dir an, wie ausgeprägt du derzeit dein Leben nach diesen Werten gestalten kannst. Falls du da noch Potenzial siehst, solltest du über Veränderung nachdenken. Es muss ja nicht immer gleich eine Auswanderung sein wie in meinem Fall.
Sei dir bewusst:
Die Kombination aus der Sehnsucht nach Veränderung und dem Mut, diese Veränderung vorzunehmen, ergibt eine unschlagbare Mischung!

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Deine Katja
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2 Antworten zu „Auswandern – wirklich die grosse Veränderung?“

  1. Avatar von Katja D.
    Katja D.

    Hallo Katja,
    ich finde deine Beiträge absolut spannend und sehr bereichern. Manchmal macht man sich doch über Sachen Gedanken, die kaum bedeutend sind. Du bringst es in deinen Beiträgen echt super auf den Punkt herauszufinden, was mir wirklich wichtig ist!
    Danke dafür!!!

    1. Avatar von lebensrocker.com

      Liebe Katja, das freut mich sehr, vielen Dank! Die Antwort ist sowieso schon immer in uns, wir haben nur oft verlernt unser Herz zu Wort kommen zu lassen.

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